rügen und meer
DÜNENHAUS Ostseebad Sellin |
Rückblick auf Pfingsten 2001: Die 2. Selliner Cartoon-Tage
Trickfilme aus realsozialistischen Cartoon-Schmieden:
Sowjetunion, Tschechoslowakei, Ungarn
und der DDR
Die Original-Schmalfilme, präsentiert von Ralf Forster aus Berlin, liefen diesmal auf der Bühne im HAUS BORUSSIA
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1. Abend, Sa. 2.6.01, 20:30
Uhr:
Russischer und ukainischerTrickfilm-Kult Hase & Wolf, Kosaken und Fabeln vom schlauen Fuchs |
2. Abend, So. 3.6.01, 20:30
Uhr
Satire-Tricks aus Budapest und Dresden Gustav, das Stacheltier, Vater und die Familie sowie Herr Daff |
Das Extra für die Kleinen,
Sa. 2.6.01, 17:00 Maulwurf contra Hase & Wolf Eine bunte Mischung aus Cartoon-Kult und humorvollen Fabelgeschichten |
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Das war das Programm 2001 im Einzelnen:
1. Abend, Sa. 2.6.01, 20:30
Uhr:
Der ferne Osten: Russischer
und ukrainischer Trickfilm-Kult
Der Trickfilm ist in Rußland fast
so alt wie die Verbreitung der Kinematographie selbst. Bereits 1913, lange
bevor im "restlichen" Europa Trickfilmgeschichte geschrieben wurde, animierte
Ladislas Starewich The Grasshopper and the Ant. In dieser Fabel unterliegt
ein fauler, in den Tag hineinlebender Grashüp-fer einer fleißigen Ameise
– er wird vom russischen Winter überrascht und erfriert, während die Ameise
vorgesorgt hat.
Ausgehend von diesem – für seine
Zeit – bahnbrechenden Puppentrickfilm stellt das Programm zwei in kreativem
Austausch miteinander agierende Animationsfilmstudios vor, die auch zu
Zeiten der Sowjet-union ihren eigenen Stil bewahren und pflegen konnten
– das Kiewer Studio für populärwissenschaftlichen Film und das (bekanntere)
Sojusmultfilmstudio in Moskau.
Neben Beispielen aus den populären
Serien Nu pogodi – Na warte (die Hase&Wolf-Filme aus Moskau zählten
zum osteuropäischen "Grundwissen") und den Soporoshjer Kosakenfilmen (Kiew)
stehen unbe-kanntere Streifen im Zentrum; so der ambitionierte geschichtliche
Zeichentrickepisodenfilm Staruije Sa-wetuij (um 1955). In ihm werden Konkurrenzdenken,
Krieg und blinde Gottesgläubigkeit als Laster der Vergangenheit und als
Gründe von Unrecht und Armut entlarvt.
Von Afrika und den Gefahren der
Wüste erzählt Samuij Bolschoij Drug (um 1960) aber auch von Freun-den und
falschen Beschützern. Am Ende weint das Nilpferd – das seine Feigheit bereut
- einen See voller Tränen.
Die Kiewer Animationsfilmer nahmen
noch stärker als das Studio in Moskau Tiergeschichten und Volks-märchen
zur Grundlage kurzer Cartoons. Deutlich wird das u.a. in Lisitschka so
Skalotschkoij (um 1975), einer prägnanten Sieben-Minuten-Verfilmung der
Fabel vom schlauen Fuchs.
Russische Cartoon-Kultur und aufklärend
humoristische Fabelgeschichten gehören eben zusammen.
85 Minuten / 9 Kurzfilme
2. Abend, So. 3.6.01, 20:30
Uhr
Der freche Südosten: Satire-Tricks
aus Budapest und Dresden
Schwierig bis frostig gestaltete sich das
offizielle Verhältnis zwischen Satire und den Köpfen des "real existierenden
Sozialismus" – und besonders dann, wenn entlarvende Kritik mit dem Medium
Film geübt wurde. Was auf der Bühne möglich, war im Kino meist verboten.
Ausnahmen bestätigen die Regel:
Von 1953 bis 1964 versuchte in der DDR
die satirische Kurzfilmreihe Stacheltier Film-Satire in der Kino-kultur
zu etablieren. Umsonst: Viele der abgefilmten Sketche wurden zerredet,
manche zurecht man-gelnder Qualität bezichtigt. 1964 dann, noch vor dem
berüchtigten Filmplenum, Ende des Stacheltiers. Ein Beispielfilm mag die
bisweilen überspitzte Ästhetik der Serie unterstreichen: Die Moritat vom
Durst (1962, der einzige Realfilm dieser Cartoontage).
Schließlich sprang der Animationsfilm
in die Lücke: Filmsatire als Trickfilm, das wurde schon eher geduldet,
waren doch in diesen Filmen keine wirklichen Menschen zu sehen, "nur" Trickfiguren.
Distanz und Stilisierung verhalfen dem satirischen Animationsfilm zum Leben.
Die kreativen Köpfe hatten sich schon gesammelt - zunächst in Südeuropa,
Ende der fünfziger Jahre. Vor allem in Zagreb (z.B. Dusan Vukotic und Vatroslav
Mimica), aber auch in Italien (Bruno Bozzetto). Sie zeigten nicht nur neue
kritische Cartoon-Inhalte auf, sondern demonstrierten auch, in welche Formensprache
diese "Satire" gekleidet werden sollte (und zwar keinesfalls in eine, die
an Walt Disney erinnerte).
Die Ideen pflanzten sich fort – Mitte
der sechziger Jahre z.B. nach Budapest ins Pannonia-Studio. Dort erdachte
Joszef Nepp die Karikaturenfigur "Gustav" – ein unverbesserlicher Spießbürger,
wie er im Buche steht. Schnell erzählte "Seven-Gag-Jokes" bilden das Gerüst
jeder der fast hundert Zeichentrickfolgen, die zwischen 1959 und 1968 sowie
ab 1975 in einer zweiten Staffel entstanden. "Gustav"-Geschichten prägen
sich ein – in ihrem meist schlichten Schwarz/Weiß und ihren minimierten
Strichzeichnungen.
Aber natürlich sind es nur die kleinen
Probleme, die verhandelt werden, wenn z.B. Gustavs übersprie-ßender Erziehungsdrang
seinen eigenen Spieltrieb fördert (Gustav schafft Ordnung, 1967) oder auf
komische Weise vor unbefugtem Medikamentenkonsum gewarnt wird (Gustav als
Doktor, 1966). Trotzdem, auch solch kleine Satire fand dankbare Aufnahme:
"Unter den Kino-Zeichentrickfilmen haben die Filme der "Gustav"-Serie die
höchste Vorstellungszahl erreicht." – schrieb György Matolcsy in "Film
kultura", Budapest, Heft 1/1972. Ende der sechziger Jahre gelangte "Gustav"
auch in die DDR-Kinos – und als 8-mm-Version in die Fotogeschäfte.
Schmalfilmsammler sind Tüftler; sie haben
wahrlich die schönsten und schrägsten Gustav-Filme herge-stellt, durch
ihre private Nachvertonung. So wirkt Gustav, das Krimiopfer (1970) - die
Traumszene gehört sicher zu den expressivsten Trickdarstellungen der Serie
– erst mit der semiprofessionellen Soundcolla-ge aus Bond- und Hitchcock-Filmen
wie ein echter Krimischocker. Und der fast zwölf Monate währende Ehekrach
in Gustav und Weihnachten (1967) erhält seinen wahren Charme erst mit den
vom unbekann-ten Privatsammler hinzugemischten Maschinengewehrsalven.
Waren im DEFA-Studio für Trickfilme "bisher
(...) die Mittel der Komik oder Satire gegen den Klassenfeind gerichtet",
durften oder sollten nun "Verhaltensweisen in der DDR-Gesellschaft aufs
Korn genommen (werden)." (Klaus Lippert: "Um den neuen Gegenstand. Zur
Entwicklung des Animationsfilms in der DDR." Berlin 1978). Die Orientierung
an den "Gustav"-Filmen war zunächst deutlich: Otto Sacher starte-te 1969
in Dresden seine Serie "Vater und die Familie" – wiederum kurze Kleinbürgergeschichten,
zwar in Farbe hergestellt, doch auch ein wenig behäbiger als die ungarischen
Vorbilder.
Nun kamen allerdings echte DDR-Probleme
zur Sprache, wie der zu langsam fahrende "Trabant" – ein potentieller Unfallwagen
und dem "Wartburg" immer unterlegen (Vater und die Fahrt ins Blaue, 1971)
oder der obligatorische Zelturlaub anstatt westlicher Reisefreiheit (Spann´
mal aus, Liebling, 1970). Die Familie als Platz für Satire – ja – auch
das Thema "Kurschatten" war willkommen, findet doch Vater ge-heilt zur
Ehefrau zurück (Vater und die Kur, 1971).
Vorsichtige Bemühungen, neue Themen persiflierender
Kritik zu erschließen, führten nur ausnahmsweise zu geduldeten (sprich:
fertiggestellten) Filmen. Typische DDR-Freizeittätigkeiten, natürlich kollektiv
ausgeführt, karikiert Bungalows (1976). Bemerkenswert offen wird hier auch
das fehlende Umweltbe-wußtsein angesprochen – im Trickfilm können Tiere
und Pflanzen allerdings versöhnlich ins leergefegte Neubaugebiet ausweichen.
In
den achtziger Jahren kreierte Klaus Georgi in Dresden noch einmal eine
satirische Cartoon-Serie. "Herr Daff" stellte sich in verschärfter Weise
den immer verschärfter herreinbrechenden Problemen. In Herr Daff wünscht
sich ein Auto (1983) schlagen alle Versuche fehl, auf legalem (Autohaus)
und halblegalem (Schwarzmarkt) Wege einen fahrbaren PKW zu erwerben. Zufällig
wird "Herr Daff" jedoch von einer Hippie-Band eingefangen, zum Sänger und
zum Star gekürt. Jetzt liegen ihm nicht nur die Frauen sondern auch diverse
Nobelkarossen zu Füßen.
90 Minuten / 10 Kurzfilme
Das Extra für die Kleinen,
Sa. 2.6.01, 17:00
Tierisch gut:
Maulwurf aus Prag / Hase
& Wolf aus Moskau
Humorvoll, gemütlich und mit dem rechten
Wissen zur rechten Zeit – seit 1955 wühlt sich der kleine Maulwurf (tschechisch:
Krtek) immer wieder aus seinem Bau und erzählt uns seine Abenteuer auf
der Erde. Mindestens dreißig farbige Zeichentrickgeschichten hat der Prager
Zdenik Miler bisher auf die Leinwand gezaubert: Vier von ihnen sind heute
in Sellin – Der Maulwurf und der grüne Stern (1968), Der Maulwurf und die
Farbtöpfe (oder: Wie ein Wald mit Wasserfarben verändert wird, 1972), Der
Maulwurf und das Ei (Gefahren in der Keksfabrik und schließlich eine glückliche
Mutter, 1975) sowie Der Maulwurf und der Igel (1970).
Hat der Maulwurf stets mit den Tücken
des Alltags zu kämpfen, führt in der russischen Serie Hu pogodi (Na warte)
die ewige Rivalität zwischen dem guten Hasen und dem bösem Wolf zu immer
neuen Tricks, Verfolgungen und Überraschungen. Dabei ist eines sicher:
Der listige Hase wird den ungehobelten und ein wenig dummen Wolf überlisten;
und am Schluß steht wieder der verzweifelte Fluch des Wolfes: "Na warte!"
– gleichzeitig der (mögliche) Start eines neuen Films. Seit 1973 verhalf
Wjatscheslaw Kotjo-notschkin Wolf & Hase zum Leben und brachte es auf
über zwanzig Folgen: Davon hier und heute – Luft und Landpartie (um 1975),
Hase und Wolf auf dem Ozean (Tücken eines blinden Passagiers, 1975), Jagd
auf der Straße (Strandleben inbegriffen, 1978) und Hase und Wolf: (Tele)Vision
(1976).
75 Minuten / 8 Kurzfilme
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